OM Tannenbaum – yoga, Weihnachten & holy nights
Weihnachten steht vor der TĂŒr. FĂŒr viele eine Zeit die man im Kreis der Familie verbringt oder mit guten Bekannten. Von manchen herbeigesehnt, weil es ein willkommenes Verschnaufen vom sonst hektischen Jahr verspricht, von vielen gefĂŒrchtet oder gar verachtet als konsumbeladener, heuchlerisches Friede, Freude Eierkuchenfest ohne wahre Bedeutung. Zudem so scheint es, kommen gerade an Weihnachten familieninterne Konflikte vermehrt zum Vorschein und verstĂ€rken noch den Stress. Dann ist noch das Problem mit der Religion. Viele von uns stehen Religion kritisch oder ablehnend gegenĂŒber und wollen damit nichts (mehr) zu tun habenâŠoder können damit nichts anfangen.
Also, ich finde Yoga, Weihnachten und auch Religion sind eine wunderbare Kombination. Wenn man etwas hinter die Kulissen der eigenen Weihnachtsmuffelkonditionierung schaut und gleichzeitig hinter die âreligiösenâ Symbole, kann das enorm helfen, Weihnachten und die Zeit danach ganz neu zu entdecken und wertzuschĂ€tzen.
Die Sonnwenden â aussen und innen
Schon lange vor Jesus wurde die Neu- und Wiedergeburt der Natur und des Lebens als Licht oder in Form eines Neugeborenen imaginiert. Niemand weiss wann genau Jesu geboren wurde. Es wurde auf die Weihnachtszeit gelegt, die Zeit der Wintersonnwende, weil es die Zeit der Wiedergeburt des Lichts ist. Jesus steht in diesem Fall fĂŒr das Licht in jedem von uns. In der indischen Tradition nimmt die gleiche Stellung und Bedeutung Krishna oder Lakshmi ein (oder eine andere âFormâ). Es ist die Sehnsucht und das Potential neu zu erwachen; zu gröĂtmöglicher Liebe, Verbundenheit und Schönheit und es zu leben und zu verkörpern.
Potente Zwischenzeiten
WĂ€hrend dieses Erwachen potenziell immer möglich ist, wie die Yogatradition betont, können bestimmte Ă€uĂere ZeitqualitĂ€ten unterstĂŒtzen. Diese Erkenntnis der gegenseitigen Beeinflussung von Ă€uĂeren und inneren Faktoren ist auch die Basis der vedischen Astrologie. Ganz allgemein empfehlen die Yogis in einem Zeitfenster, das sie Brahmamuhurta nennen, zu meditieren. Es ist eine Ăbergangszeit von der Mitte der Nacht bis zum Sonnenaufgang, ungefĂ€hr zwischen 3.30 und 6.30 Uhr. Hier wird die formlose Dimension erfahrbar, alles ist still, zurĂŒckgezogen und undefiniert. Der neue Tag hat noch keine Form und ist durch die geistigen Samen, die wir sĂ€en beeinflussbar. Es ist die alte Vision und Erfahrung, das wahre Erneuerung nur durch das BerĂŒhren einer zeitlosen Dimension in uns möglich ist. Wenn wir das “tiefere” Selbst jenseits der Ego Identifikation erfahren, wird loslassen und Neubeginn möglich. Diese Dimension ist aber auch immer eine Auseinandersetzung mit Dunkelheit, Unsicherheit, Nicht Wissen und Auflösung; diese sind oft Voraussetzung fĂŒr eine wirkliche VerĂ€nderung und Neuschöpfung. Das Aushalten und Bewusstmachen der eigenen âDunkelheitâ liefert das Substratum durch welches das Licht in einem alchimistischen Umwandlungsprozess neu erstrahlen kann. Dunkelheit und Licht sind jeweils im anderen enthalten und bedingen sich gegenseitig. Keines ist per se besser oder schlechter.
In der AbenddĂ€mmerung wird in Indien mit einer Lichterzeremonie, dem Arati, dem göttlichen Licht in allem gedacht. Im gröĂeren Jahreskreis sind diese potenten Zwischenzeiten unter anderem die Sonnwenden, wie jetzt die Zeit der Wintersonnwende. Sie wurden kulturĂŒbergreifend schon immer mit festlichen Ritualen gewĂŒrdigt und gefeiert. Es ist eine transformative Ăbergangszeit, von Auflösung, Stille und Neubeginn. Ein Ritus des Wandels und der Möglichkeit von Erneuerung und Transformation.
Hinter die Symbole schauen
Yoga ist als spirituelle Praxis nicht an einen bestimmten Glauben oder Religion gebunden, obwohl es natĂŒrlich eng mit dem Hinduismus verbunden ist. Aber die Essenz von Yoga ist Selbstverwirklichung. Es basiert auf Erfahrung und nicht Glauben. Gleichzeitig anerkennen die Yogis das (religiöse) Symbole und Ideen eine Hilfe sein können, wenn wir sie nicht als absolut betrachten. Mit dem richtigen VerstĂ€ndnis und einem offenen Geist können sie uns mit einer tieferen Bedeutungsebene verbinden. Schon immer haben wir existenziell menschliche, sowie universelle Wahrheiten und Erfahrungen in (Götter-)Geschichten, Metaphern, Symbolen, Ritualen und Mythen ausgedrĂŒckt. Je nach Kultur, Religion und Zeitalter unterschiedlich verweisen sie auf tiefere RealitĂ€ten jenseits Ratio oder Logik â und jenseits von Religion.
TatsÀchlich sind die tiefsten Symbole verbunden mit archetypischen Erfahrungen, die unsere Psyche strukturiert haben und unbewusst in uns wirken.
Symbole, mythologische Geschichten und Rituale enthĂŒllen gleichfalls Orientierung und Sinn und verweisen auf die eigene mysteriöse Verbundenheit mit dem Kosmos. Wenn wir lernen die alten Geschichten und Symbole zu decodieren enthĂŒllen sie ihr Potenzial der inneren Transformation hin zu mehr Ganzheit und Verbindung.
In dem Zusammenhang hat Weihnachten einiges zu bieten
Schauen wir uns ein paar Weihnachts âfeaturesâ an.
Vom Weihnachtsbaum und Weltenbaum
Der Weihnachtsbaum ist ein universelles Symbol fĂŒr den Weltenbaum. Ein kosmischer Baum. Diese Vorstellung ist uralt und wir haben sie gröĂtenteils vergessen. Es ist in vielen nativen und schamanischen Traditionen rund um die Welt zu finden. Auch bei unseren Vorfahren, das waren die Kelten und Germanen. Wir holen uns einen immergrĂŒnen Baum ins Haus, weil er die Quelle von VitalitĂ€t, ja das Leben selbst symbolisiert. Der Weltenbaum ist die Axis Mundi, die Achse der Welt, welche mit tiefen Wurzeln Erde und Himmel verbindet. Am FuĂe des Baumes stellen wir Maria und Josef, das Urpaar, Shiva und Shakti auf. In der Krippe, auf Gras und Heu liegt unser göttliches Selbst das sich als Kind in diese Welt verkörpert hat.
An den Weihnachtsbaum selbst hĂ€ngen wir Kerzen und runde leuchtende Kugeln, welche die Sterne die Planeten und den Kosmos reprĂ€sentieren. Auf die Spitze kommt ein groĂer Stern, der Polarstern, der unserer Seele die Richtung weist.
In den schamanischen Vorstellungen verbindet der Weltenbaum 3 Ebenen: die Unterwelt (Erdgeister, Elementarwesen), Mittelwelt (Welt der Menschen) und der Oberwelt (Engel, Götter).
Er ist der Baum des Wissens und der Baum des Lebens. Es ist alles ein Lebensgewebe und es ist heilig.
Baum des Lebens
Black Elk, ein Sioux Medizinmann, wurde dieses Wissen in einer Vision enthĂŒllt:
âDas heilige Band eines Volkes ist nur einer von vielen welche zusammen den groĂen Kreis der Schöpfung ausmachen. In der Mitte wĂ€chst ein mĂ€chtiger blĂŒhender Baum des Lebens, der alle Kinder von einer Mutter und einem Vater beschĂŒtzt. Alles Leben ist heilig.â
In der indischen Vorstellung kommt alle Manifestation vom Bewusstsein, der geistigen Ebene; deshalb wurzelt der Weltenbaum in Brahman, dem Ewigen:
Das Universum ist ein Baum, der ewig existiert, seine Wurzeln ragen nach oben, seine Ăste abwĂ€rts. Die reine Wurzel dieses Baumes ist Brahman, das Unmanifeste, Formlose, Unsterbliche. Alle Welten sind in ihm enthalten, niemand geht darĂŒber hinaus und er ist das Selbst.â
In der Bhagavad Gita sind die BlĂ€tter des Baumes die Veden (von Veda, Wissen, die alten spirituellen Schriften Indiens) welche das Wissen ĂŒber das Unsterbliche vermitteln.
In einer weiteren Legende ist der indische Weltenbaum auch die Quelle des Soma, des Elixiers der Unsterblichkeit.
Der innere Körper als Baum
In der inneren energetischen Anatomie des Yoga wird die erweckte Bewusstseinskraft, die Kundalini Shakti, vom Wurzelchakra, dem Muladhara, ĂŒber den mittleren Energiekanal der WirbelsĂ€ule (Sushumna) bis zum Kronenchakra (Sahasrara) hochgeleitet und vereint sich dort mit dem transzendenten Aspekt (Shiva), was mit der Erfahrung von Integration und âErleuchtungâ beschrieben wird. Auch hier finden wir die Analogie des Baumes wieder.
Weihnachtszeit: Reinigung, Vergebung & Loslassen
Die Idee der âaltenâ Rituale zur Weihnachts- und Neujahrszeit â die wir auch heute noch, meist unbewusst ausfĂŒhren – war, ungelöste Themen, Verletzungen, verpassten Chancen und Fehler des vergangenen Jahres bewusst zu machen, anzuschauen, und mit einem GefĂŒhl der Vergebung loszulassen, damit sie nicht in das neue Jahr mitgenommen werden. Eine unbewusste Erinnerung an die Notwendigkeit der Reinigung liegt der Weihnachtszeit zugrunde. Man merkt es daran, dass viele Konflikte innerhalb der Familie ausgerechnet jetzt zum Vorschein kommen đ Und tatsĂ€chlich, diese Reinigung war und ist auch teilweise die Aufgabe der Familie. Leider ist dieses VerstĂ€ndnis nicht mehr weitverbreitet.
in vielen indigenen Stammestraditionen ist man in Ăbergangszeiten fĂŒr Rituale zusammengekommen. Man hat sich wieder verbunden, zusammen getanzt und gesungen und so neue Kraft geschöpft. In Heilungsritualen konnte jeder der Anwesenden seine Probleme, Zweifel und Schwierigkeiten schildern, oder, falls es ungelöste Konflikte mit anderen Teilnehmern gibt, diese ansprechen und ausdrĂŒcken. Ohne das die anderen Widersprechen oder kommentieren. Das ist Ă€uĂerst heilsam. Daraus wurde wohl im Christentum der Beichtstuhl und in modernen Zeiten der Therapeut. Gerade am Ende eines Zyklus oder Jahres verspĂŒrt man den Wunsch nach KlĂ€rung und Loslassen. Unsere Psyche bringt die unterdrĂŒckten oder unbewussten Themen dann meist mit den Menschen zum Vorschein die uns emotional am nĂ€chsten stehen.
Familienfest oder hÀlt einen die Familie fest?
Die Familie oder die Gemeinschaft ist idealerweise der Ort wo das Individuum Kraft und Vertrauen schöpft und in die gröĂere Welt initiiert wird. So kann es verantwortungsvoll die Herausforderungen der Welt meistern und seinen Weg finden. So wichtig die Verbundenheit und Versöhnung mit der eigenen Familie und Familiengeschichte ist; so wichtig ist auch das wir loslassen und unserer eigenen Bestimmung folgen. Auf der inneren Reise braucht es dafĂŒr manchmal eine neue oder zusĂ€tzliche Familie die einen darin unterstĂŒtzt das alte loszulassen und zu neuen Ufern aufzubrechen. Im Yoga ist das die Sangha (spirituelle Gemeinschaft). Ob man dafĂŒr in ein Yogastudio geht, zu einem spirituellen Meister oder einer Meditationsgruppe, wir brauchen alle UnterstĂŒtzung, um das zu manifestieren, was wir im Bild von Christuskind sehen: Das Licht von göttlicher Verbundenheit, Heilung und Liebe, das wir und die Welt brauchen.
Weihnachten, das Fest der Liebe!
Liebe ist die zugrundeliegende RealitĂ€t unserer inneren Essenz sagen die Yogis â und Jesus und vieler anderen Meister, Lehrer und Traditionen. Weihnachten ist ein kollektiver Ausdruck dieser Erkenntnis und eine magische Zeit, in der wir in der Stille der heiligen NĂ€chte der Stimme der Liebe lauschen können. Der Polarstern auf der Spitze des Weihnachtbaumes weist uns den Weg: Alles Leben ist verbunden, alles wird erhalten von der gleichen Lebensraft, vom gleichen Licht, der gleichen Liebe. Die Familie, zu der wir alle gehören, ist nicht nur unsere Herkunftsfamilie, nicht nur unsere Nation oder unsere Glaubensrichtung, sondern die ganze Welt.
âVasudhaiva Kuáčumbakamâ
steht in der Maha Upanischad, eine der spirituellen Schriften Indiens: Die Weisen erkennen: die ganze Welt ist eine Familie.
Gerade jetzt, wo Polarisierungen und Spannungen in der Welt zunehmen, brauchen wir dieses VerstĂ€ndnis. Das geht nur wenn wir die Spaltungen in uns selbst erkennen, heilen und loslassen und selbst wieder âganzâ werden. Yoga ist die Erfahrung eines heiligen Universums, das sich durch uns bewusst wird. Das geht nicht ohne unsere proaktive praktische Beteiligung. Yoga ist die Praxis das heilige zurĂŒck in unser Leben zu bringen durch Reinigung und Neuausrichtung von Herz und Verstand.
Sankalpa
Mit der Weihnachtszeit schlieĂt sich ein Kreislauf damit etwas Neues entstehen kann. All die Feiertage, Bilder, Symbole, Metaphern und altĂŒberlieferten Rituale der Religionen und spirituellen Traditionen sind tief im kollektiven Bewusstsein verankert. Es liegt an uns sie mit Leben, Sinn und Bedeutung zu fĂŒllen. Dann können wir sie nutzen, fĂŒr was sie eigentlich gedacht sind: der inneren Erneuerung und Transformation des eigenen Lebens und Bewusstseins.
Wohin soll es gehen? Was soll durch mich in die Welt kommen? Was wĂŒnsche ich mir tatsĂ€chlich auf der Seelenebene? Wie kann ich das Licht in mir zum Strahlen bringen?  Die Formulierung einer Intention, im Yoga Sankalpa genannt kann dabei helfen. Ein Sankalpa wirkt wie ein Kompass. Man ist noch nicht am Ziel, aber man geht in die richtige Richtung.
âIch verbinde mich mit meinem inneren Licht des Wissens. In Stille, Dankbarkeit, Wahrhaftigkeit und Loslassen fĂŒhrt mich PrĂ€senz zur ewigen Flamme in meinem Herzen.âÂ
Das neue Licht wird durch mich geboren.
â Yoga Sankalpa
Happy Christmas
much love und
Om Namah Shivaya
Ralf